Watt ist nicht VA
Als die Deutschen noch Dampfradios in den Wohnzimmern stehen hatten, war für die Elektrizitätswerke die Welt in Ordnung. Denn bei den Geräten dominiert die nötige Heizung der Röhren die Stromaufnahme, und diese folgt der sinusförmigen Netzspannung ebenfalls sinusförmig - wie man es von linearen Verbrauchern wie Bügeleisen, Glühlampen oder Waschmaschinen gewohnt ist.
Mit dem Aufkommen der Halbleiter wandelt sich das Bild, denn nun fällt die Heizleistung weg, und Netzteile mit Gleichrichtern - dazu gehören auch die Schaltnetzteile in PCs, Monitoren oder Druckern - bestimmen die vom Verbraucher gezogene Stromform. Die ist dank der nichtlinearen Gleichrichter nicht mehr sinusförmig (siehe Oszillogramm). Das drückt sich unter anderem im Leistungsfaktor (Power Factor), dem Quotienten aus Wirkleistung (tatsächlich ‘verbrauchte’ Leistung) und Scheinleistung (virtuell gezogene Leistung) aus, der bei PCs auf Werte um 0,7 sinkt. Diesen Power Factor für nichtlineare Lasten muss man jedoch von seinem Bruder cos(phi) für komplexe, lineare Verbraucher unterscheiden, denn er entsteht nicht aus einer Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung, sondern aus der Stromform.
Ein gewöhnliches, nicht power-factor-kompensiertes Rechnersystem stellt eine nichtlineare Last dar: Der vom PC- und Monitor-Schaltnetzteil aufgenommene Strom (rote Kurve) ist nicht sinusförmig.
Der sinkende Power Factor hat im Drehstromnetz drastische Folgen: Die über die drei Phasen transportierten Ströme kompensieren sich nicht mehr gegenseitig, und damit fließt auf dem Nullleiter ein Strom mit einer eigenwilligen Form, der entsprechende Spannungen entlang des Kabels zur Folge hat; außerdem steigt der Oberwellenanteil auf den Phasen deutlich an. Beide Effekte sorgen unter anderem für steigende Verluste im Kabelnetz und den Verteiler-Trafos, die dort verlorene Energie muss jedoch im Kraftwerk genauso wie die vom Verbraucher tatsächlich abgenommene erzeugt werden. Neben den Verlusten macht sich die Spannung auf dem Nullleiter oft als Störspannung bemerkbar, etwa wenn Rechner, die an unterschiedlichen Versorgungssträngen hängen, beispielsweise über ein Datenkabel verbunden sind. Die durch die Potenzialdifferenz auftretenden Ausgleichsströme fließen dann über den Kabelschirm ab.
Die Schaltnetzteile der EDV-Geräte machen sich in der Hauseinspeisung des Verlages deutlich bemerkbar: Die von ihnen verursachte ‘Stromkappe’ auf einer Phase ragt um etwa 130 A über den ohne sie gegebenen Momentanwert von rund 80 A.
Dank der nicht mehr symmetrischen Belastung der drei Wechselstromphasen ist der normalerweise stromfreie PEN-Leiter plötzlich mit einigen Dutzend Ampere beaufschlagt.
Um den Strom bei nichtlinearen Verbrauchern ‘gerade zu biegen’, setzt man eine elektronische Schaltung vor Gleichrichternetzteile, die Power Factor Compensation (PFC). Eine solche Schaltung verteilt die Stromaufnahme wieder über die ganze Spannungshalbwelle und hebt den PF so auf Werte um 0,95, also fast das Optimum. PFC wird für nichtlineare Verbraucher vom 1.1.2001 an in der EU zur Pflicht.
Richtig messen
Zwar gibt es preiswerte Handmultimeter mit Leistungsmessadaptern für Schuko-Stecker und einer True-RMS-Option, die auch bei nichtsinusförmigen Spannungen und Strömen den Echteffektivwert bestimmt. Aber für eine Wirkleistungsmessung an nichtlinearen Lasten genügt es nicht, nur diese beiden Werte miteinander zu multiplizieren und die so errechnete Scheinleistung (S = Utrms x Itrms) als Wirkleistung zu ‘verkaufen’, denn für die aufgenommene Leistung spielt es durchaus eine Rolle, zu welchem Zeitpunkt der Spannungskurve die Last ihren maximalen Strom zieht.
Verschiebt sich beispielsweise die im Oszillogramm dargestellte Stromspitze in Richtung Spannungsnulldurchgang, dann sinkt die Wirkleistung, aber der so errechnete Scheinleistungswert bleibt gleich! Um die wahre Wirkleistung zu ermitteln, muss man das momentane Spannungs-Strom-Produkt, also die momentane Wirkleistung, über eine bestimmte Periode - mindestens eine Halbwelle - integrieren, also alle Einzelmessungen aufsummieren und durch die Messperiode teilen:

Das Präzisionswattmeter LMG 95, welches wir zum Bestimmen der Leistungsaufnahme von Testgeräten verwenden, misst mit einer Abtastrate von 100 kHz und mittelt den Wert über eine einstellbare Zeit - wir verwenden 1 s, um kurzzeitige Schwankungen aufzufangen. Mit dieser Methode erhält man niedrigere, realistischere Werte als mit den oben erwähnten Handmultimetern.
zitat f. ct