"Die Gefahr einer Pandemie ist real und das Risiko derzeit so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr." (Reinhard Kurth, Präsident des Robert Koch-Instituts, am 18. August 2005 in der FAZ). Er erwähnte gegenüber der FAZ eine zu erwartende Infektionsrate von bis zu 30% der Bevölkerung.
Gesicherte Erkrankungs- und Todesfälle liegen derzeit aber nur aus Vietnam, Thailand, Kambodscha und Indonesien sowie (aus dem Jahr 1997) aus Hongkong vor.
Die Experten befürchten jedoch, das Vogelgrippevirus könne sich mit einem Erreger der Humangrippe kreuzen. Dies ist möglich, wenn Schweine oder Menschen gleichzeitig mit A/H5N1 und einem Erreger der Humangrippe (zumeist A/H1N1 oder A/H3N2) infiziert sind. Auf diese Weise könnte ein neuer Virussubtyp entstehen, bei dem eine Pandemie droht, wenn seine Ausbreitung nicht kontrolliert werden kann. Gestützt wird diese Theorie durch Ergebnisse US-amerikanischer Forscher, die im Herbst 2005 den Erreger der spanischen Grippe A/H1N1 rekonstruierten. Die Erkenntnisse der Wissenschaftler legten nahe, dass das von ihnen rekonstruierte Virus H1N1 von einem Vogelgrippe-Virus abstammte und die Fähigkeit entwickelte, den Menschen zu befallen. Die Spanische Grippe sprang demnach nicht durch Kreuzung mit einer menschlichen Grippe über, sondern lediglich durch normale virale Mutation. Seitdem das bekannt wurde, wird die Gefahr einer erneuten Grippe-Pandemie deutlich höher eingestuft.
Sollte ein Vogelgrippe-Virus mutieren, so dass es von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, wäre mit einer weltweiten Pandemie zu rechnen. Für diesen Fall erwarten einige Experten ein Szenario, das in zwei Phasen abläuft [1]:
1. In einer ersten Phase von 3-6 Monaten stünde noch kein Impfschutz zur Verfügung. In dieser Phase wären antivirale Medikamente neben Schutzmaßnamen und Quarantäne die einzigen Waffen gegen das Virus. Es wird daher empfohlen, für 20-25% der Bevölkerung solche Medikamente vorrätig zu halten [2].
2. In einer zweiten Phase wäre zwar ein Impfschutz entwickelt, die Produktionskapazitäten würden für den großen Bedarf jedoch sehr wahrscheinlich nicht ausreichen. Daher fordern Experten, staatlich subventionierte Über-Kapazitäten bei den Arzneimittelherstellern aufzubauen. Nur so könnten im Ernstfall relativ schnell große Mengen Impfstoffs bereitgestellt werden. Weil außerdem nicht erwartet werden kann, dass Impfungen vollständigen Schutz bieten, müssen die anderen Maßnahmen der Bekämpfung auch in der zweiten Phase angewandt werden.
Notfallplanung im deutschsprachigen Raum
Wie auch in anderen Ländern gilt die Notfallplanung in Deutschland als unzureichend: Kompetenz- und Finanzierungsstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern sorgen in Deutschland dafür, dass, wie Kritiker argumentieren, unzureichend Vorsorge betrieben wurde. Statt für 25% (WHO-Empfehlung) oder 20% (Robert Koch-Institut) der Bevölkerung werden in einigen Bundesländern lediglich für 10% (Hamburg) bzw. 4.5% (Sachsen-Anhalt) der Bevölkerung Medikamentendosen vorrätig gehalten [5]. Hochrechnungen des Robert Koch-Instituts prognostizieren für den Ernstfall einer Pandemie allein für Deutschland 160.000 Tote [6].
In der Schweiz soll das Pflichtlager mit den antiviralen Medikamenten bis Ende 2005 aufgefüllt sein, im Falle einer Pandemie wären somit ab 2006 genügend Medikamente vorhanden. Bis dahin muss man sich mit der Versorgung auf Risikogruppen beschränken. Damit sind beispielsweise Personen in der landwirtschaftlichen Industrie gemeint, die am ehesten mit dem Virus Kontakt haben könnten.