Mal so von wegen, "Es müssen nicht beide Elternteile arbeiten gehen", entschduldigt also mal, ich kenne nur Familien um mich herum, bei denen das geht, wenn einer der beiden einen Job hat, wo er über 10k pro Monat verdient.
Beispiel meine Eltern: Mein Vater hatte in einem Baugeschäft eine Kaderstelle. Dieses Baugeschäft hat dann seinen Angestellten Einfamiliienhäuser "aufgeschwatzt". Mein Vater hat auch eines genommen. Kaum war dann nach zwei Jahren Einzugstermin, ging die Baufirma praktisch konkurs, wurde aber übernommen, aber praktisch alle Angestellten rausgeschmissen, darunter auch mein Vater. Er fing dann in der Migros an als "Hauswart". Er verdiente knapp 5000 CHF pro Monat, war aber der erste, der in der Migros war (Vor 05.00 Uhr) und der letzte, der nach Hause ging, weil er auch abschliessen musste. Bei einem Abendverkauf reden wir so von Feierabend um ca. 22.00. Dazu auch noch Pikett-Dienst, wenn es einen Alarm ging, Sonderschichten an Sonntagen, un das nicht nur wie die Leute im Detailhandel, an 4 Sonntag zu arbeiten, sondern auch noch viele weitere Sonntagsschichten und Nachtarbeitsschichten, weil ja irgendwer den Dekorateuren der Migros den Laden offen halten muss. Und das alles für 5000 CHF pro Monat. (Gut, die Migros und Coop sind für mich sowieso DAS letzte in Punkt Arbeitgeber in der Schweiz, so eine der letzten Sklaventreiber-Baumwollfelder in der Moderne). Bei den 5000 CHF konnte man aber Ausbildungskosten abziehen (Ich und meine drei Geschwister sind alle 3 Jahre auseinander, d.h. es hiess für ihn damals in naher Zukunft während 9 Jahren zusätzliche Mehrausgaben wegen der Lehre), dann normale Sachen wie Krankenkasse, dann ein Haus, dass irgendwie 1800 CHF pro Monat für die Hypothek kostete etc. etc. Meine Eltern hatten also gar keine andere Wahl, als dass beide wieder arbeiten. Meine Mutter aber hatte den Fehler gemacht, 1984, als ich auf die Welt kam, gar nicht mehr zu arbeiten. Sie hatte das KV gelernt. Das heisst, sie hatten den ganzen technischen Fortschritt im KV natürlich verpasst, ergo: Keine Chance wieder ins KV einzusteigen. Sie fing dann an zu telefonieren in einem Umfrageinstitug, das spühlte wenigstens nochmals 2000 CHF in die Kasse. Gut, wir waren damals schon genug alt, dass wir auch für uns selber sorgen konnten, sollte es sich mal ergeben, dass beide Elternteile weg waren.
Ein anderes Beispiel auch aus meiner Familie: Ein Onkel von mir ist Innendekorateur. Dies ist aber ein toter Beruf. Ein Eck-Ledersofa neu beziehen zu lassen, kostet rund 8'000 CHF. Als solche Sofas noch 10'000 CHF kosteten, lohnte sich das. Heute kriegt man aber solche Sofa für die Hälfte (Leder), resp. so 1500 CHF (Kunstleder), d.h. damit macht man keinen Umsatz mehr. Er kann sich über Wasser halten, da er sich auf antike Möbel spezialisiert hat (Restaurieren etc.) und nur stinkreiche Kunden hat, die sich auch heute noch Sofas für 15'000 CHF kaufen. Aber dort gibt es extreme Umsatzschwankungen: Mal macht er 10'000 CHF Gewinn, dafür die nächsten drei Monate gar nichts usw. Sprich, er hat demnach kein geregeltes Einkommen. Im Jahreschnitt kommt er so auf 5'000 CHF Lohn pro Monat. Seine Frau hat schon mit der Karriere angefangen, bevor sie ihn kennenlernte. Und als sie schwanger wurde, wollte logischerweise er sein Geschäft nicht aufgeben und sie sagte ganz klar: Weshalb ist dieses konservative Denken "Frau bleibt zu Hause beim Kind" noch so verankert bei den Männern? Sie wolle auch weiterhin noch arbeiten und an ihrer Karriere arbeiten. Sie habe Geld und Zeit investiert, wenn sie jetzt aber 18 Jahre lang nichts mache, dann sei dies alles für die Katz investiert gewesen. Sie reduzierte dann auf 60%, so hatten sie ein gregeltes Einkommen pro Monat und ein "schwankendes". Und gleichwohl konnte sie an ihrer Karriere weiterarbeiten. Gut, das Kind war nicht in Tagesstätten, sondern an drei Tagen entweder bei meiner Mutter oder den Grosselteren. Meine Familie hat das Glück, dass der ganze Westschweizer-Teil in Luzern im Umkreis von 5 Kilometern wohnt. Von daher, natürlich ideal. Und ich fand dies absolut keine schlechte Lösung, für alle drei Parteien und das Kind (Ist übrigens mein Patenkind) ist mittlerweile 6 Jahre alt und tiptop fröhlich, gut erzogen etc.
Ein anderes Beispiel bei einem anderen Verwandten: Dort arbeite auch beide, obwohl sie mit dem Einkommen von ihm locker durchkommen würden. Jedoch sagt seine Frau: Mir macht arbeiten Spass und das will ich nicht aufgeben. Aber auch dort ist alles so sauber organisiert, dass es den Kindern an gar nichts fehlt.
Bei mir und meiner Verlobten ist es ähnlich: a) haben bisher beide genug Geld in Aus- und Weiterbildung gesteckt, sodass wir jetzt doch sehr gut leben können. Kinder sind in einigen Jahren sicherlich auch ein Thema, aber auch dort wird niemand auf seine Karriere komplett verzichten wollen. Dazu kommt, dass ich knapp 3.25h Arbeitsweg habe pro Tag. Aber wenn sowas gut organisiert ist, dann fehlt es den Kindern an nichts. Und eben, vorallem, wenn man auch die Verwandschaft "einschalten" kann.
Aber die meisten Beispiele sind halt schon so, dass die Eltern nicht gross die Wahl haben, wollen sie beide arbeiten oder nicht, jedenfalls in der heutigen Zeit. Sondern sie müssen. Das bestätigt euch auch gerne jedes Volkswirtschafts-Departement, dass die Working-Poor-Gesellschaft doch recht gross ist und neben den Working-Poor doch die meisten Familien, die nicht zu den oberen 10'000 gehören, beide trotzdem arbeiten müssen, um sorgenfrei leben zu können.
Stellt euch mal ein Ausländer-Ehepaar vor, das mit den Kindern aus irgendeinem Land hier hin flüchten. Das können gebildete Menschen sein, er und sie haben einen Uni-Abschluss. Aber, die meisten Uni-Abschlüsse aus Flüchtlingsländern, sind hier nicht anerkannt. Auch hier ein Beispiel von einem guten Freund aus Schultagen: Dessen Eltern waren beide studierte Geologen und flüchteten während des Jugoslawien-Krieges, weil ihr Haus komplett zerbomt wurde und auch die halbe Familie dabei umkam (Mein Schulfreund hatte von dem Angriff ein Narbe vom Fussknöchel bis zu Hüfte davon getragen). Als sie in der Schweiz waren wollten sie so schnell wie möglich arbeiten, um auch ihrem Sohn, nach dem erlebten, eine psychologische Betreuung zu ermöglichen (Er sagte oftmals: Er hat Bilder gesehen, wie noch kein Schweizer. Wenn er keinen Psychologen an seiner Seite gehabt hätte, wäre er wohl auch grundverbittert und agressiv geworden). Er arbeitete als Taxi-Chauffeur und sie als Putzfrau. Sie kamen auf vieleicht so 5000 CHF im Monat, zusammen.
Und viel besser geht es auch den meisten Schweizer Familien nicht. Es müssen beide arbeiten, sobald Kinder da sind.
Deshalb bitte vorsichtig mit so Aussagen. Der grösste Teil der Schweizer Bevölkerung kann nichts dafür, wenn eure Familien alle von der Zürcher Goldküste kommen, sonstwie sauviel Kohle hatten o.ä, sich es also leisten konnten und können, dass ein Elternteil zu Hause bleibt.