Dass es anderswo unmenschlicher ist, ist ein ganz anderes Thema. Wir haben hier auch genug Probleme die jeder einzelne für sich als Unmenschlich betrachten kann. Nur weill anderswo andere Probleme herrschen heisst das nicht, dass die Probleme hier für uns bzw. die direkt betroffenen weniger wichtig und zermürbend sind. (Sowieso geht mir dieses "in xy haben sie nicht mal abc" so was von auf die nerven - sind unsere Probleme dadurch weg? Nö! Sind unserere Probleme dadurch weniger Präsent? Nö! Ist der einzelne dadurch weniger bedrückt? Nö! Also, lasst dieses Gaga "Argument" endlich mal weg, thx).
Selber Kompensieren, schön wenn man es kann. Es gibt genug Arbeitsorte wo man das aber nicht kann. Überstunden natürlich, dabei fresse halten und ja nicht maulen sonst droht der Chef dir gleich, aber mal früher gehen, aiaiaiai, das geht gar nicht. Ja, glaub es oder nicht, so etwas gibt es mehr als genug. Schön kannst du das machen, kann aber nicht jeder.
Und soweit ich mich erinnere warst du nie in der Situation, dass du so richtig unzufrieden warst oder? Gratuliere, du hast in frühen Jahren den richtigen Job gewählt. Ich nicht, und ich glaube ich bin bei weitem nicht alleine. Aber he, hier in der Schweiz ist es nunmal immer noch befremdend und beinahe verpöhnt wenn man etwas ganz anderes machen möchte als das was man gelernt hat (wofür man sich mit 14/15 entschieden hat und ja soooo gut wissen konnte was einem ein ganzes Leben lang gefällt). In anderen Ländern (USA oder Australien zB) ist es absolut normal dass man sein Betätigungsfeld komplett ändern, ja teils mehfach. Hier in der Schweiz? Nope, es ist beinahe unmöglich. Und damit meine ich nicht die von dir angepriesenen Kurse um noch etwas mehr in oder in der Nachbarschaft seines jetzigen Betätigungsfeldes zu lernen. Das ist kein komplett ändern.
Und alle gleich als ohne Ehrgeiz etc. hinzustellen ist schlicht blödsinn. Zum einen ist es verdammt schwer zu erkennen wo genau das Problem liegt. Ich brauchte mehrere Stellenwechsel um zu erkennen, dass nicht die Stellen oder Teams oder Chefs das Hauptproblem waren (teils schon, so bezüglich eben Überstunden oder so) - das Problem war der Job an sich. Ich habe mich schlicht falsch entschieden. In jüngeren Jahren dachte ich noch ich sei der perfekte Büromensch, tja, stellte sich als Blödsinn heraus. So, nur alleine das zu erkennen und sich dies einzugestehen braucht Zeit. Dann kommt aber der noch viel schwierigere Teil. Dem ganzen auch nich ein Ende setzen. Ohne mehrere Tritte in den Hintern von meiner Frau hätte ich das vielleicht gar nicht geschafft. Aber nicht nur das: Was tut man nun? Berufsberatung bringt da schon mal was. Aber wie kommt man nun dort hin? Schon mal versucht etwas Handwerkliches über tolle Kurse oder ein Studium zu machen? (Klar gäbe es wohl irgendwie auch so Möglichkeiten, aber wozu ein Jahrelanges Studium machen wenn man eine füdli normale Büez möchte?)
Quereinstieg über sehr viel Vitamin B oder wieder bei 0 Anfangen (übrigens fast unmöglich als Ü25, habe ich auch versucht, da gibt dir keiner ne Lehrstelle), was anderes geht hier nicht. Oder eine der ganz wenigen Zweitausbildungen machen in welchen man übrigens meist auch nicht voll verdient oder gar noch was dafür bezahlen muss.
Und was wäre gewesen wenn ich die Ausbildung zum LF nicht geschafft hätte? 1-2 Personen pro Klasse rasseln im Schnitt durch - dann wäre ich wieder bei 0 gewesen.
Und eine etwas dickere Haut braucht man auch - allein weils hier eben in vielen Köpfen so ist, dass man dabei bleibt was man gelernt hat und dann noch die elendige Geldsucht. Wie oft musste ich mit anhören "Aber in der Informatik könntest du doch viel besser verdienen" - klar könnte ich das, Informatiker sind ja, IMHO (!!! Achtung, Meinung, kein Fakt !!!), auch oft genug überbezahlt sobald sie ein zwei Fötzeli haben. Aber anscheinend ist viel Verdienen bei vielen auch wichtiger als glücklich zu sein. Ich verbringe ja nur einen grossen Teil meines Lebens mit der Arbeit, wozu sollte ich auch was machen was mir gefällt?
Probleme über Probleme: Man muss erkennen was das Problem ist. Man muss sich daraus befreien können. Man muss ein verdammt grosses Risiko dafür eingehen, finanziell als auch zukunftsmässig. Man braucht Mut dafür und ein dickes Fell sich gegen die allgegenwärtige Bünzlikeit zu wehren. Und man braucht auch noch genug Geld um sich, egal welche Variante, leisten zu können.
Natürlich gibts auch Leute die andersrum über Kurse/Studium in den Job kommen könnten den sie möchten. Nur muss da nicht nur der Wille da sein sondern eben auch das Geld und die Zeit dazu.
Und die die ihren Job zwar gerne haben aber im falschen Betrieb sind, Stelle wechseln ist auch einfacher gesagt als getan. Ja klar könnten die mit Kursen etc. mehr dazuholen um sich interessanter zu machen, was aber wenn sie glücklich sind bei dem was sie machen? Die wollen vielleicht ihr Tätigkeitsfeld nicht erweitern. Oder die wollen gar nicht in eine höhere Position. (Ich bin zB so jemand, ich bin glücklich als füdli normaler Angestellter. Ich habe meine Führungserfahrung im Militär gesammelt, nope, brauch ich nicht).
Und irgendwo gibts dann noch die die du genannt hast (und wahrscheinlich noch viele andere die ich hier gar nicht aufezählt habe). Die die mehr möchten, die Zeit dazu hätte und auch die finanziellen Mittel, aber möglichst keinen Aufwand haben wollen und nur am motzen sind...