Hi
Hier mal einen Thread zum aktuellen Vogelgrippe Virus H5N1 mit meiner Meinung:
Wenn ein Naturwissenschaftler von einer "Gefahr" spricht, dann meint er etwas anderes,
als wenn z.B. ein Journalist von einer "Gefahr" spricht
Das derzeit grassierende H5N1 Vogelgrippevirus ist in der Tat ausserordentlich "gefährlich", was die Sterblichkeitsrate beim Menschen angeht (>50%).
Es ist nicht besonders "gefährlich" was die Infektionswahrscheinlichkeit angeht. Selbt bei
intensivem Kontakt mit infiziertem Geflügel infiziert sich nur ein sehr geringer Prozentsatz
der Menschen.
Was Epidemologen mit der grossen "Gefahr" meinen, ist mehr das *Potenzial* des
Erregers, was aus ihm werden könnte und die Wahrscheinlichkeit dessen.
Mal ein vereinfachtes Bild vom Influenza-A-Erreger:
Wie alle Viren ist auch Infuenza kein lebender Organismus, sondern nur etwas Erbmaterial
in einer Verpackung. Influenzaviren sind "behüllte" Viren, d.h. das Erbgut ist in einer
Hülle aus viralen Eiweissstoffen und Resten der Wirtszelle, in der das Virus produziert
wurde.
Die Besonderheit von Influenza A ist, dass das Erbgut auf 8 seperate Segmente verteilt ist.
Unter anderem sind das das Gen für Hämagluttinin (HA oder H) und für Neuraminidase
(NA oder N) nach deren Varianten man die Virusstämme einteilt. (H5N1 heisst also, dass
dieses Virus Version 5 des H- und Version 1 des N-Gens besitzt).
Wenn Influenza eine Körperzelle des Wirts befällt, "spritzt" er sein Erbgut in die Zelle, um
dort anhand dieser "Blaupausen" seine eigenen Eiweissmoleküle (Proteine) herstellen zu
lassen. Neben Proteinen zum Aufbau des Viruspartikels, wird auch eines zur Vermehrung
des Viruserbguts produziert, die infizierte Körperzelle stellt dann tausende von Kopien des
Virus her.
Ein funktionsfähiges Virus entsteht nur, wenn sich sich im neu zusammengestzten Partikel
von jedem der 8 Segmente mindestens eines befindet. Da dies zufällig passiert, sind
tatsächlich nur ein kleiner Teil der entstandenen neuen Viren infektiös. ABER: das macht
dem Virus nichts aus, da immer mehr infizierte Zellen diese Partikel zu tausenden und
abertausenden herstellen (und dabei schliesslich zerstört werden, wodurch der
Organismus krank wird).
Der Vorteil (für das Virus) ist dabei, das diese zufällige Kombination von Erbgutsegmenten
für das Virus das ist, was für uns die sexuelle Vermehrung: eine Möglichkeit, viele neue
Kombinationen von Genen durchzuprobieren. Besonders wenn Individuen von mehreren
leicht veränderten Varianten des Erregers gleichzeitig befallen werden , entstehen so neue
(möglicherweise effektivere) Kombinationen sehr schnell.
Deswegen haben wir es bei Grippe jedes Jahr mit einem neuen Stamm zu tun. Zur ganz
normalen Mutation kommt diese rasante Kombination. Und daher schützt auch die
Impfung nicht mehr im nächsten Jahr.
Warum also besorgt sein?
- Ein Influenza-Erreger mit einer Sterblichkeitsrate von über 50% existiert schon, wird
aber derzeit nicht von Mensch zu Mensch und nur schwer von Tier zu Mensch übertragen
- dieser Erreger verbreitet sich räumlich und zahlenmässig rasant, wird von Tier zu Tier gut
übertragen
- andere Influenza-Erreger werden sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragen
- wir wissen inzwischen, dass das Grippevirus von 1918 (> 40 Millionen Tote) durch
Mutation aus einem Vogelgrippe-Erreger hervorgegangen ist
Alles zusammengenommen, besteht durchaus die reale Wahrscheinlichkeit, daß durch
Kombination oder Mutation (oder beides) das H5N1-Virus die Fähigkeit der Infektion von
Mensch zu Mensch erwerben könnte. Die Wahrscheinlichkeit STEIGT, je stärker sich das
Virus über den Globus verbreitet, weil es potenziell sein Erbgut mit immer mehr anderen
Influenzastämmen, die es in infizierten Wirten trifft, austauschen und neu kombinieren
kann. Sie steigt auch durch die pure Zahl der infizierten Organismen, da einfach die
Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer entsprechenden Mutation damit steigt.
Panikmache hat sicher keinen Zweck. Es macht aber absolut Sinn, diese
Wahrscheinlichkeiten soweit zu senken wie wir halt können. Durch Eindämmen von
H5N1, durch Impfen der Bevölkerung gegen andere Stämme, durch Impfen der
Geflügelpopulationen in den Legebatterien etc.
Auch die Bevorratung von Grippemedikamenten macht Sinn, meines erachtens aber in
Krankenhäusern und Gesundheitsämtern, nicht in Privathaushalten. Alle wirksamen
Anti-Grippemittel sind Neuraminidase-Hemmer, das heisst sie blockieren ein Enzym, das
das Virus braucht, um sich von seiner Wirtszelle zu lösen und weitere Körperzellen zu
infizieren.
Das Medikament lindert daher die Auswirkungen der Infektion, verhindern diese aber nicht
und verhindern vor allem nicht, dass der Infizierte andere ansteckt.
Mal zynisch gesagt: Leute, die vorbeugend Tamiflu o.ä. schlucken, kriegen dann u.U. nur
eine milde Form der Grippe, laufen in der Gegend rum und stecken Dutzende anderer
an...
Was haltet ihr von diesem Virus..?
Gruäss,
Ändu