Leben rettendes Stickoxid: Konzern macht schamlos Kasse
Seit Jahren retten Kinderärzte kranken Neugeborenen mit Stickoxid das Leben. Doch das bisher günstige Medizinalgas wird auf einen Schlag rund 50 mal teurer - mit dem Segen der Behörden: Die Spitäler dürfen nur noch das patentierte INOmax anwenden.
Nach einer Herz-Operation litt der zweimonatige Simon unter lebensbedrohlichem Sauerstoffmangel. Stickoxid rettete dem Baby das Leben. Stickoxid ist in der Medizin alt bekannt und alt bewährt: Das Gas erweitert die Lungengefässe und verbessert so die Atmung des Patienten. "Wir verwenden es hauptsächlich bei Neugeborenen mit Atemversagen. In dieser Situation kann Stickoxid sehr schnell, günstig und einfach Leben retten und die Situation eines kritisch kranken Neugeborenen stabilisieren", erklärt Professor Jürg Hammer vom Kinderspital Basel.
Stickoxid ist ein sehr sicheres, schnell wirksames und erst noch günstiges Medikament. Ab sofort müssen jedoch alle Schweizer Spitäler ein neues Gas-System namens INOmax verwenden. Das Gas stammt von der Firma INO Therapeutics, einer Tochter des deutschen Gasherstellers Linde. Das Unternehmen hat sich über amerikanische und europäoische Patente die alleinige Anwendung des lebensrettenden Gases gesichert. Hinzu kommt: INOmax ist seit einem Monat von der Arzneimittelbehörde Swissmedic als einziges Stickoxid zugelassen. Das Neue an INOmax: Das System hat einen Zeitzähler. Bei INOmax zahlen die Spitäler nicht mehr pro Flasche, sondern pro Stunde. Dass Neugeborene viel kleinere Mengen Stichoxid als Erwachsene benötigen, spielt beim Preis keine Rolle mehr. Kostete die drei bis vier tägige Behandlung eines Kindes bisher 300 bis 400 Franken, muss man laut Kinderarzt Hammer bei der Umstellung auf INOmax mit bis zu 20'000 Franken rechnen. Das sind rund 50 mal mehr als die bisherigen Anbieter verlangt hatten.
INO Therapeutics wollte seine Preispolitik gegenüber Kassensturz nur schriftlich rechtfertigen: "Der Preis wird durch umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeit, Lizenzgebühren an den Patenteigentümer sowie durch Vorschriften und Richtlinien für die Herstellung in die Höhe getrieben." Der neue Preisüberwacher, Rudolf Strahm, wird sich damit nicht abspeisen lassen: "Der Preisüberwacher hat die Firma zu einer Stellungnahme aufgefordert, und man wird jetzt diesen Fall untersuchen. Es muss verhindert werden, dass eine Firma zulasten des Steuerzahlers und der Prämienzahler derart grosse Preissprünge durchziehen kann."
Patentierung und Zulassung durch die Arzneimittelbehörde haben INOmax zum Monopolisten gemacht. Die anderen Produkte hat INOmax vom Markt gedrängt. Linde kann nun jeden beliebigen Preis verlangen. Ein klarer Fall für die Wettbewerbskommission: "Wir werden nächstens entscheiden, ob wir ein offizielles Verfahren eröffnen werden, das untersucht, ob die Firma, welche dieses Produkt in der Schweiz vertreibt, seine marktbeherrschende Stellung missbraucht", sagt Olivier Schaller, Vizedirektor der Weko. Mit dem Segen der Behörden steht INOmax ganz alleine auf dem Markt. Und die Spitäler müssen ein Gas verwenden, das sie sich gar nicht leisten können. Jürg Hammer vom Kinderspital Basel malt ein erschreckendes Bild: "Durch die Verteuerung dieses Produkts wird man sich sicherlich mehr überlegen, welchem Kind und wie lange man einem Kind INOmax verabreichen darf."
(Kassensturz vom 24.8.2004)
:stupid:abgelehnt